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Nachhaltige Strukturen für kulturelle Bildung, fest verankert im „echten Norden“

Kulturelle Bildung in Schleswig-Holstein

In Schleswig-Holstein fanden in den vergangenen Jahren umfassende Weiterbildungen des künstlerischen und pädagogischen Personals statt. Diese Professionalisierungsoffensive ist eines der Ergebnisse des Kulturdialogs, einer partizipativ gestalteten Plattform für Politik, Verwaltung, Bildung und Kultur, die den Kurs in der Kulturförderung und kulturellen Bildung definiert.

Im Dom zu Schleswig sind Jägerinnen und Jäger auf der Suche nach Geistern. Sie sind ausgestattet mit Lupe, Zollstock, einem Forscherbuch mit Stift, mit Taschenlampe und Tablet. Alle Sinne sind im Einsatz, die Geister werden gespürt, gerochen, gehört und gesehen. Funde werden mittels der App #digiclass dokumentiert, sodass die ganze Gruppe sehen kann, was die Mitschülerinnen und Mitschüler erlebt haben.

Echte Geister sind es nicht, die hier aufgespürt werden, sondern die Spuren der Menschen, die hier in der langen Geschichte des Doms den Raum geprägt haben. Die Geisterjagd findet unter dem Titel „Tatort Kulturlandschaft: Geisterjagd in Schleswig“ statt und greift Methoden aus dem Design-Thinking für Schülerinnen und Schüler auf: verstehen, beobachten, Standpunkt definieren, Ideen finden, Prototypen bilden, testen. Dazu gehört auch, die Skulpturen im Kirchenraum nachzustellen, sie zu zeichnen, neue zu erfinden.

Durch forschendes Lernen setzen sich die Drittklässlerinnen und Drittklässler mit dem Kulturerbe ihrer Stadt auseinander, wie Projektleiterin Barbara von Campe erklärt: „Raumanalysen – und als solche verstehe ich den ‚Tatort Kulturlandschaft‛ – sind immer auch Gesellschaftsanalysen: in Vergangenheit, Gegenwart und – im Sinne von Imagination – Zukunft. Reale und imaginative Räume durchdringen einander. Dazu gehört mehr denn je auch der digitale Raum.“ Auf diese Weise werden Digitales, Stadtkultur und Kulturerbe in diesem Projekt methodisch und inhaltlich miteinander verwoben.

Vernetzung im Sinne der kulturellen Bildung

Aus der schulischen Bildung in Schleswig-Holstein sind Kunst und Kultur nicht mehr wegzudenken. Gearbeitet wird weiter an der flächendeckenden Realisierung von Formaten kultureller Bildung im Land und an der Vernetzung aller relevanten Akteur:innen. Es wurden bereits viele Meilensteine im Land erreicht:

  • Lehrkräfte und Künstler:innen wurden zu Kulturvermittler:innen weitergebildet, die kreative Konzepte als unverzichtbaren Teil schulisch-kultureller Bildung entwickeln und etablieren.
  • Im Sinne einer kommunalen Verankerung wurden 15 Kreisfachberater:innen ausgebildet. Sie begleiten die Schulen bei Projekten der kulturellen Bildung und bauen kommunale sowie überregionale Netzwerke auf.
  • Kulturelle Bildung wird mit anderen schulischen Themen zusammen gedacht, etwa bei Unterrichtseinheiten im regulären Fachunterricht, im Kontext von BNE oder bei Kooperationsprojekten zu baukultureller Bildung.
  • Im Sinne der Qualitätsentwicklung arbeiten die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, die Europa-Universität Flensburg und die Musikhochschule Lübeck eng mit der Kultur- und Schulverwaltung zusammen und lassen ihre Erkenntnisse aus der Forschung in die Bildungspraxis einfließen.

Kulturdialog als besondere Vernetzungsform für kulturelle Bildung

Mit dem Kulturdialog wurde bereits 2013 ein Gesprächsformat gebildet, das Vertretungen des Landes und der Kommunen, Akteurinnen und Akteure aus Schulen, Kulturinstitutionen und Kulturschaffende einlädt, im Rahmen eines offenen, partizipativen Prozesses gemeinsam an der Kulturentwicklung in Schleswig-Holstein zu arbeiten, zu zentralen Themen der Kulturpolitik Stellung zu beziehen, eigene Themenfelder einzubringen und Vorschläge zu artikulieren.

Aus diesem Kulturdialog hervorgegangen sind Schwerpunktsetzungen in der Kulturentwicklung und eine Kulturstrategie für das Land. Zuletzt erarbeitet wurde der „Kulturpakt 2030 – zur gemeinsamen Verantwortung von Land und Kommunen für die Kulturförderung in Schleswig-Holstein“.

Kulturelle Bildung ist Inhalt und Methode

Im Bildungsbericht des Landes Schleswig-Holstein, erschienen Ende 2021, wird kulturelle Bildung sowohl als Lehr-Lern-Inhalt als auch als Lehr-Lern-Methode verstanden. Inhaltlich umfasst werden sämtliche den Unterricht unterstützenden oder ergänzenden Angebote sowie alle freien, oft projektorientierten Angebote aus ästhetischen Arbeitsfeldern. Im Unterschied zur klassischen fachspezifischen Wissensvermittlung meint kulturelle Bildung als Methode hier die ganzheitliche Erschließung eines Lerngegenstands über die Verbindung verschiedener Fachinhalte und den Einsatz vielfältiger didaktischer Zugänge.

Praktisch umgesetzt wird dieser Ansatz zum Beispiel in der Verknüpfung kultureller Bildung mit anderen curricularen Themen: KBNE steht als Abkürzung für Kulturelle Bildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung. Kultur ebnet dabei den Weg zur Auseinandersetzung mit BNE-Themen und schafft neue, kreative Zugänge. Die Ergebnisse dieser Kollaboration sind vielfältig: Installationen aus Recyclingmaterialien, einen Klanggarten gestalten, ein eigener Rap zu weniger Verkehr.

Projekt- und Kulturschulen Schleswig-Holstein

Um die breite Verankerung der kulturellen Bildung zu gewährleisten, wurde 2015 mit Unterstützung der Stiftung Mercator das Förderprogramm „Schule trifft Kultur – Kultur trifft Schule“ aufgelegt und bereits 2018 in die Landesförderung überführt. Allgemein- und berufsbildende Schulen können Mittel zur Finanzierung kultureller Projekte beantragen, die mit Unterstützung und in Zusammenarbeit mit Kulturvermittler:innen und außerschulischen Lernorten durchgeführt werden.

Flankiert wird dieses an alle Schulen adressierte Förderprogramm durch die Zertifizierung und finanzielle Unterstützung von Schulen, die ein breites kulturell-künstlerisches Profil aufweisen und dauerhaft einen kulturellen Schwerpunkt in ihrer schulischen Arbeit entwickeln. Die so geförderten und öffentlichkeitswirksam ausgezeichneten Kulturschulen bilden ein Netzwerk und fungieren dabei zugleich als Modellschulen kultureller Bildung, die andere Schulen dazu anregen, ebenfalls kulturelle Inhalte und Methoden in ihr Schulprogramm aufzunehmen.

Besonderer Schwerpunkt: Expertise in die ländlichen Räume bringen

Die landesweite Verankerung schulischer kultureller Bildung erfolgt vor allem durch die Professionalisierung von pädagogischem und künstlerischem Personal. Lehrkräfte und Künstlerinnen und Künstler hatten die Möglichkeit, sich zu Kulturvermittler:innen weiterzubilden, die an Schulen und öffentlichen Einrichtungen künstlerische Bildungsprojekte vermitteln und diese im Team mit den Lehrkräften und weiteren Partner:innen vor Ort entwickeln und realisieren. Besonderer Wert wurde darauf gelegt, dass Kulturvermittler:innen auch außerhalb der Städte zur Verfügung stehen, damit Schulen in dünn besiedelten Regionen erreicht werden. Unterstützt wird dieses Anliegen durch die sogenannten Kulturknotenpunkte Schleswig-Holstein, ein professionelles Netzwerk für Kultur im ländlichen Raum.

An der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel werden Lehramtsstudierende aller Fächer im extracurricularen Bereich darin ausgebildet, kulturelle Bildung methodisch in den Fachunterricht einzubinden.

Die 15 Kreisfachberater:innen sind in den Landkreisen und kreisfreien Städten tätig und agieren mit ihrem Erfahrungshintergrund aus dem Arbeitsfeld Schule als Netzwerker:innen für kulturelle Bildung in der Region. Sie beraten und begleiten Schulen bei der Entwicklung fach-, klassen- und schulübergreifender Konzepte der kulturellen Bildung, ermitteln Fortbildungsbedarfe und führen Fortbildungen gemeinsam mit dem Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen in Schleswig-Holstein (IQSH) durch. Auch stehen sie im engen Austausch mit den kommunalen Verwaltungen, die vielerorts im Rahmen ihrer kommunalen Gesamtkonzepte kulturelle Entwicklungspläne erarbeiten.

Wie all diese Fäden ineinandergreifen und ein Unterstützungsnetzwerk für die kulturelle Bildung im Land bilden, zeigt das Beispiel der Lehrerin Antje Smorra, die in ihrer Funktion als Kulturvermittlerin nicht nur an der Entwicklung des kulturellen Schulprofils „ihrer“ Grundschule Glücksburg maßgeblich beteiligt war, sondern auch als Kreisfachberaterin des Kreises Schleswig-Flensburg Konzepte zur Verbindung von kultureller Bildung und Draußenschule entwickelt, andere Schulen im Landkreis bei der Entwicklung kultureller Angebote berät und diese zu Netzwerken der kulturellen Bildung zusammenführt. Dies ist nur eines von vielen Beispielen, wie die gezielte Vernetzung der an kultureller Bildung beteiligten Akteur:innen in Schleswig-Holstein mehr Teilhabe ermöglicht und mehr Expertise insbesondere in die ländlichen Räume bringt.

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