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Im Freistaat kommt kulturelle Bildung mit Heimatverbundenheit und Innovationsfreude daher.

Kulturelle Bildung in Bayern

Bayern bietet viel Raum zwischen Rhön und Alpen: 70.000 Quadratkilometer für ästhetische Erfahrungen lokal und digital, in renommierten Kultureinrichtungen und regionalen Vereinen, kulturell avantgardistisch oder traditionell. Sowohl die großen Institutionen in den Ballungsräumen als auch unzählige Kulturakteur:innen in den ländlichen Gemeinden sorgen für einen kulturell lebendigen Freistaat und vielfältige Möglichkeiten der kulturellen Teilhabe.

Kunstvermittlung selbst gemacht: Jugendliche führen durch Museen

Sonntag Vormittag zwischen 11.30 und 13 Uhr: ein guter Zeitpunkt, um wieder einmal die Pinakothek der Moderne zu besuchen. Wenn es sich dazu noch um den letzten Sonntag des Monats handelt, bestehen gute Chancen für Kunstbegeisterte, dass in den dortigen Sammlungen Moderne Kunst und Design ein:e „besucherpi.lot:in“ darauf wartet, eine Spontanführung zu einem ausgewählten Werk zu spendieren.

Seit 2005 lernen in der Initiative „besucherpi.lot“ kunstinteressierte Schüler:innen ab 14 Jahren die Bestände eines Museums kennen. In einem fünftägigen Seminar setzen sie sich, begleitet von Künstler:innen, Kunsthistoriker:innen und Designer:innen, mit Originalen auseinander, werfen einen Blick in Museumswerkstätten und Ateliers, erarbeiten Hintergrund- und Kontextwissen zu Kunstwerken und Designobjekten und lernen verschiedene Museumsberufe kennen. Ermöglicht wird das Projekt durch die Stiftung Pinakothek der Moderne und die Udo und Anette Brandhorst Stiftung – in Kooperation mit der Stiftung art131 unter Schirmherrschaft der Bünemann Stiftung.

Ausgangspunkt für den jeweils individuellen Vermittlungsansatz ist der eigene Zugang, die persönliche Wahrnehmung und Begeisterung für Kunst und Design. Mit dem erarbeiteten Wissen bringen die ausgebildeten „pi.lot:innen“ ihre Lieblingswerke aus Kunst, Design und Kunsthandwerk den Museumsbesucher:innen nahe.

Kulturelle Teilhabe in kommunalen Kultur- und Bildungslandschaften

Um solche Erfahrungen nicht nur in den großen Städten, sondern auch in den kleinen Gemeinden zu ermöglichen und möglichst viele Menschen früh und nachhaltig mit künstlerischen Ausdrucksformen in Berührung kommen zu lassen, setzt der Freistaat auf Schulkooperationen und unterstützt die Bildung kommunaler und regionaler Netzwerke.

Unter dem Titel „Kulturschulen in Bayern“ hat das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus in Zusammenarbeit mit neun Schulen aus den jeweiligen Regierungsbezirken des Freistaats die kulturelle Teilhabe von Schüler:innen und individuelle Schulentwicklung im künstlerisch-kulturellen Bereich vorangetrieben. Das Projekt wurde mit Beginn des Schuljahres 2019/20 im Rahmen des Förderprogramms „Kreativpotentiale“ der Stiftung Mercator umgesetzt, im Herbst 2022 wurden alle neun teilnehmenden Pilotschulen als „Kulturschulen“ zertifiziert. Solche Netzwerkarbeit bis in die lokalen Strukturen hinein ist im größten Bundesland Deutschlands mit über 2.000 Gemeinden essenziell, um kulturelle Teilhabe flächendeckend zu ermöglichen. Beispiele dafür sind die Bayerische Landeskoordinierungsstelle Musik, eine Arbeitsgemeinschaft des Kultus-, Kunst- und Sozialministeriums sowie des Bayerischen Musikrats mit dem Ziel, musikalische Bildung und Projekte ressortübergreifend zu entwickeln, oder das „Stadtkultur Netzwerk Bayerischer Städte“, das über 50 bayerische Kommunen verbindet, sowie das von der Landesvereinigung Kulturelle Bildung Bayern organisierte Netzwerk Kommunen für Kulturelle Bildung, in dem sich kommunale Service- und Koordinierungsstellen zusammengeschlossen haben, um Akteur:innen aus den Bereichen Kultur, Bildung und Soziales miteinander zu vernetzen. Darüber hinaus bietet die Landesvereinigung Kulturelle Bildung Bayern mit ihrem FutureTalk eine Plattform für Fachleute aus Politik, Verwaltung sowie Bildungs- und Kulturarbeit, um sich online zur Zukunft der kulturellen Bildung auszutauschen. Daneben verfolgt die Landesvereinigung Kulturelle Bildung mit dem Projekt „Land schafft Kultur“ eine praxisorientierte, qualitativ-empirische Bestandsaufnahme und Entwicklungsarbeit zur kulturellen Bildung und Teilhabe sowie die konkrete Sichtbarmachung der kulturellen Bildung und Teilhabe in den Regionen Bayerns. Zu diesem Zweck werden in allen sieben bayerischen Regierungsbezirken Praxis- und Entwicklungslabore angeboten, die das vielfältige Akteur:innenfeld der Kultur- und Bildungslandschaften beteiligt. Die Labore dienen außerdem der öffentlichkeitswirksamen Präsentation der Angebote der kulturellen Bildung vor Ort sowie dem überregionalen Transfer innovativer Praxis.

Mit (Kultur-)Technik begeistern: Kulturelle Bildung medial und digital

In den vergangenen Jahren haben die Themen Medienbildung und digitaler Wandel immer mehr an Bedeutung für eine zeitgemäße kulturelle Bildung gewonnen. Seit 2021 unterstützt deshalb das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst mit seinem Programm „kultur.digital.vermittlung“ staatliche Kultureinrichtungen bei der Umsetzung digitaler Vermittlungsprojekte. Unter den geförderten Institutionen sind das Bayerische Nationalmuseum mit einem Escape-Game, das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst mit einer immersiven Klanglandschaft zu realen Grabungsarbeiten im sudanesischen Naga sowie das Museum für Abgüsse Klassischer Bildwerke in Kooperation mit dem Museumspädagogischen Zentrum mit verschiedenen partizipativen Formen barrierefreier Kunstvermittlung.

Die Bayerische Staatsoper hat neben klassischen Vermittlungsangeboten wie Workshops, Spiel- und Bastelangeboten für Kinder und Familien auch das über das Bundesprogramm „Kultur macht stark“ geförderte Format „app2music_DE“ im Portfolio. Dessen Ziel ist es, dem musikalischen Talent von Kindern und Jugendlichen mit Smartphones, Tablets und Apps auf die Spur zu kommen – Instrumente, die im Leben junger Menschen allgegenwärtig sind. Im Rahmen von app2music_DE, welches die Staatsoper in Zusammenarbeit mit dem Kreisjugendring München-Stadt und dem Berliner Verein app2music durchführt, werden die jungen Teilnehmer:innen mit Unterstützung professioneller Musiker:innen kreativ. Sie produzieren Beats, lassen sich vom Repertoire der Bayerischen Staatsoper zu eigenen Kompositionen inspirieren oder covern ihre Lieblingssongs. Dabei lernen sie nicht nur verschiedene Apps zur Musikproduktion kennen, sondern auch Instrumente im ganz klassischen Sinn.

Die Bavariathek, Medienportal des Regensburger Haus der Bayerischen Geschichte, stellt mit ihrem "Archiv der Zukunft“ das Selbstverständnis eines historischen Museums auf den Kopf und lässt Schüler:innen in die Zukunft blicken: Woran wird man sich in 50 Jahren erinnern? Im „Archiv der Zukunft“ werden aus der Sicht junger Menschen wichtige Ereignisse und Entwicklungen der Gegenwart reflektiert und in medialen Formaten dokumentiert – darunter Themen wie Migration in Schweinfurt, Schule und Freizeit in der Corona-Pandemie oder Frauenwahlrecht in Bayern. Dabei agieren die Teilnehmer:innen vor und hinter der Kamera, entwickeln Erzählstrategien und lernen verschiedene Gewerke der Medienproduktion kennen.

Unter dem Motto „Das Blaue vom Himmel“ lädt das Literaturportal Bayern zum Entdecken der Literaturlandschaft Bayerns ein. Virtuelle Spaziergänge führen auf einer interaktiven Landkarte zu besonderen literarischen Orten, Autor:innen stellen neue Texte vor, ein Veranstaltungskalender macht die Vielfalt des aktuellen Literaturgeschehens sichtbar; gleichzeitig bieten das Themenfeuilleton sowie diverse lexikalische Zugänge etwa zu Autor:innen, Literaturzeitschriften und dem virtuellen Literaturarchiv Bayern vertieftes Wissen an.

Landauf, landab: Kulturelle Bildung tradiert und dezentral

Technologischer Fortschritt und Traditionsbewusstsein koexistieren in Bayern auf besondere Weise. Eine Vielzahl von Heimatmuseen, haupt- und ehrenamtliche Heimatpfleger:innen und Initiativen wie das „Musikantenfreundliche Wirtshaus“ zeugen davon, dass die Verbindung zur Heimat hier besonders tief verankert ist. So ist kulturelle Bildung in Bayern zu einem nicht zu unterschätzenden Teil von traditionellen Kulturtechniken und ehrenamtlicher Kulturvermittlung geprägt.

Besonders in den ländlichen Gebieten des Freistaats machen Laienmusikvereine wie Blasmusikkapellen und Chöre einen wichtigen Teil des kulturellen Lebens aus und werden von den Kommunen in der Fortführung und Weitergabe traditioneller Kulturtechniken unterstützt. Die Bayerischen Musikakademien in Hammelburg, Marktoberdorf und Alteglofsheim werden vorwiegend von den Laienmusikverbänden genutzt und tragen zur hohen musikalischen Qualität ihrer Mitglieder bei. Zudem unterhält der Bayerische Landesverein für Heimatpflege fünf Beratungs- und Forschungsstellen und hält ein breites Bildungsangebot vor, um generationenübergreifend Lust am eigenen musikalischen Ausdruck zu wecken.

In die Fläche wirkt auch das White Ravens Festival für internationale Kinder- und Jugendliteratur. Fünf Tage lang lesen Autor:innen aus dem In- und Ausland aus ihren Kinder- und Jugendbüchern, leiten Workshops und Schreibwerkstätten und berichten in Podiumsgesprächen über sich und ihre Arbeit – in der Internationalen Jugendbibliothek und bayernweit in Bibliotheken, Schulen, Museen, Jugend- und Kulturzentren, Buchhandlungen und anderen Orten. Das White Ravens Festival ist das größte Festival seiner Art in Europa und ist aufgrund seiner umfangreichen Social-Media-Aktivitäten auch international sichtbar.

Dieses gleichwertige Neben- und Miteinander von Tradition und Moderne, Analogem und Digitalem, lokaler Verwurzelung und vernetzter Zusammenarbeit ist, was die kulturelle Bildung im Flächenland Bayern mit seinen urbanen Zentren und ländlichen Gemeinden prägt.

Foto von Andrea Schmölder-Veit und Nele Schröder-Griebel.
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