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Zwischenraum – Partizipation im postkolonialen Museum

Ideenwerkstatt zwischen Vitrinen

Bei "vinyl-archäologischen" Abenden gemeinsam Musik hören und zu DJ-Sets tanzen. Auf umgebauten Ausstellungsvitrinen sitzen, essen und trinken. Mit Menschen unterschiedlichen Alters diskutieren. Gepflegt und vehement streiten beim Debatten-Duell über den verstorbenen Anarchisten und Kultur- und Sozialanthropologen David Graeber. Tanzperformances und Soundinstallationen mit Ausstellungsstücken kombinieren. Bei Mitmach-Aktionen Ideen für die Zukunft des Museums sammeln oder einfach nach einer Ausstellungsführung noch ein bisschen in Werkstattatmosphäre abhängen.

Fakten

Fakten zum Projekt

Projektträger

MARKK Hamburg

Förderung

Kulturstiftung des Bundes und Eigenmittel des Museums

Zielgruppe

Diverses Museumspublikum

Kunstsparte

Museum

Projektzeitraum

2019–2023

Weitere Veröffentlichungen

Abschlusspublikation im Juni 2023 geplant

Kontakt

MARKK Museum am Rothenbaum
Rothenbaumchaussee 64
20148 Hamburg
Gabriel Schimmeroth, Leiter Veranstaltungen und Projektkurator
Telefon 040/42 88 79 - 643
gabriel.schimmeroth@markk-hamburg.de

Dekolonisierung, Innovation und Interaktion

Im 2019 eröffneten Projektspace „Zwischenraum“ werden Besucher:innen eingeladen, museale Veränderungsprozesse mitzugestalten und neue Gedankenräume zu schaffen: Künstlerische Innovationen treffen auf experimentelle Ausstellungen, zum Beispiel zu Raubkunst im Kontext des sogenannten Boxerkriegs oder zu Kolonialismus und Farbfotografie.

Das Museum am Rothenbaum, Kulturen und Künste der Welt (MARKK) zählt zu den größten ethnografischen Museen Europas. Das ehemalige Völkerkundemuseum befindet sich in einem tiefgreifenden Wandlungsprozess hin zu einem partizipativen Museum, das gesellschaftliche Debatten aufgreift, Fragen stellt und postkoloniale Perspektiven aufzeigt. Welche Rolle hat ein ethnologisches Museum heute und wie durchlässig kann es sein? Ausgehend von dieser Frage hat das Museum unter der Leitung von Barbara Plankensteiner nicht nur einen neuen Namen, sondern ein komplettes Make-over erhalten.

Der für alle Besucher:innen offene „Zwischenraum“ begleitet als Teilprojekt des „MARKK in Motion“ diesen Neupositionierungsprozess und versteht sich bewusst als Labor für Experimente, als Begegnungsstätte für „Austausch, Aufbruch, Ausruhen und Widerspruch – und alles, was dazwischen liegt. Er dient als Schaufenster ins Museum und Ort für performative und diskursive Formate, macht Provenienzforschung und Kollaborationen sichtbar, thematisiert Dekolonisierungsprozesse, ermöglicht den Diskurs und bietet ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm. Hier werden Forschungsprozesse vorgestellt und Gesprächsräume eröffnet, um die Öffentlichkeit mitzunehmen und das Geschehen hinter den Kulissen transparent zu machen. Der „Zwischenraum“ ist dabei Werkstatt, Interaktionsfläche und kleiner Ausstellungsbereich zugleich.

Raum für Experimente

Verantwortlich für Veranstaltungen und Programm im „Zwischenraum“ ist der Kurator Gabriel Schimmeroth. Im Rahmen einer vierjährigen Experimentierphase wurden verschiedene Veranstaltungsformate erprobt, bei denen Besucher:innen direkt Teil des Geschehens waren: Get-togethers und Debattier-Battles, Kunstsprechstunden und Tanzperformances, DJ-Sets und Präsentationen, eine Medienwerkstatt für Jugendliche und Workshops zu aktuellen Forschungsthemen. Durch die informelle Atmosphäre ist der Austausch mit dem Publikum unkomplizierter und flexibler geworden, erzählt Schimmeroth: „Eine der interessantesten Erfahrungen sind intergenerationelle Allianzen, die sich im Programm wiederfinden.“

Menschen in Prozesse miteinzubeziehen, die sonst hinter verschlossenen Türen stattfinden und offene Begegnungsräume an Museen zu schaffen – das ist auch an anderen Häusern in Deutschland zu beobachten. „Viele Häuser haben diese Art von Orten kreiert, weil sie überhaupt Programmarbeit und vermittelnde Arbeit vereinfachen“, so Gabriel Schimmeroth. Das, was den „Zwischenraum“ so einzigartig macht, ist für ihn seine hybride Rolle: „Ein offener Raum, der diese Neupositionierung in dem Sinne begleitet, der auch neue partizipative Programme ausprobiert und das Performative mit dem Ausstellen in Vitrinen kombiniert. Bei uns sind immer auch Objekte im Raum, es gibt einen Zugriff auf die Sammlung, die so immer präsent ist. Gleichzeitig wird der Raum nicht im museal-klassischen Sinne genutzt, sondern auch für Tanzveranstaltungen, Workshops, Vinyl-Abende oder zum Beispiel das fluctoplasma-Festival mit einer riesigen Party.“

Gekommen, um zu bleiben

Auch wenn die eigentliche Projektarbeit nach vier Jahren abgeschlossen ist, soll der „Zwischenraum“ erhalten bleiben und in seiner Prozesshaftigkeit als „Baustelle“ sichtbar bleiben. „Wir decken in der Programmarbeit eine große Breite ab, das geht von kleinen Ausstellungen und Vitrinen-Bespielungen bis zu Performances, DJ-Sets und weiteren Veranstaltungen“, erklärt Gabriel Schimmeroth. „Wir verknüpfen Programm-, Prozess- und Vertrauensarbeit. Der Raum ist permanent in Bewegung, Vitrinen werden umgerüstet, es ist immer eine Art Umbausituation sichtbar. Man ist nah dran als Besucher:in und kann mal gucken kommen, was gerade Neues entsteht.“ Das Museum öffnet sich für sein Publikum, wird transparenter, gibt seine Elfenbeinturm-Rolle auf und will auch zukünftig offener in den Formaten bleiben: „Unser Ziel ist es, die Kooperation von Museum und Publikum konstruktiv zu gestalten.“