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"Sonnenstunden" – Kindertheater ohne Worte: "Lucy Wirbelwind"

Vom Fremdsein und Ankommen

„Lucy Wirbelwind“ ist eines der deutschlandweit rund 240 Projekte, die im Rahmen des bundesländerübergreifenden Programms „Sonnenstunden“ für geflüchtete Kinder und Jugendliche aus der Ukraine realisiert werden konnten. Das Theaterstück richtet sich an Kinder zwischen vier und neun Jahren und erzählt ohne Worte eine so einfache wie eindringliche Geschichte von Lebensumbrüchen und Zugehörigkeit: Die Protagonistin Lucy Wirbelwind lebt glücklich auf einem Planeten. Eines Tages erfasst sie ein kräftiger Wind und trägt sie in ein fernes Land. Dort ist alles anders als zu Hause: die Farben, die Geräusche, die Textur der Dinge. Lucy bekommt Angst – erst recht, als sie plötzlich auf das Mädchen Anna trifft, die ganz anders aussieht und deren Sprache und Spiele sie zunächst nicht versteht. Die Begegnung ist für beide Mädchen gleichermaßen unheimlich. Argwöhnisch umkreisen sie einander. Doch was als Verfolgungsjagd beginnt, geht bald in neugieriges Entdecken und gemeinsames Spiel über. Lucy und Anna werden Freundinnen – und auf einmal ist das, was gerade noch fremd war, schon ein wenig vertrauter.

Entwickelt wurde das Stück vom Improtheater Stuttgart, einem Zusammenschluss leidenschaftlicher Improschauspieler:innen und Musiker:innen, die auf der Bühne, minimalistisch und expressiv zugleich, einschneidende Erfahrungen der Kinder thematisieren: Wie fühlt es sich an, neu irgendwo anzukommen, wo man vielleicht gar nicht sein will? Was hilft dabei, dieses Neu- und Fremdsein zu überwinden? Die beiden Schauspielerinnen kommunizieren, begleitet von moderner ukrainischer Musik, über Masken, die eigens für das Stück vom kanadischen Schauspieler und Maskenbauer Steve Jarand angefertigt wurden. „Solche Masken sieht man nicht so häufig, sie sind sehr ausdrucksstark und die Geschichte bewegt die Kinder“, erzählt Kerstin Manz-Kelm, Schauspielerin, Regisseurin und Autorin beim Improtheater Stuttgart.

Fakten

Fakten zum Projekt

Projektträger

Förderung Improvisationstheater Stuttgart e. V.

Förderung

5.000 Euro für Produktions- und Personalkosten; Förderung von folgenden Akteuren: Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Kulturstiftung der Länder, Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa, Ministerium für Kunst und Wissenschaft in Nordrhein-Westfalen, Staatskanzlei und Ministerium für Kultur in Sachsen-Anhalt, private Spender

Zielgruppe

Fokus: Geflüchtete ukrainische Kinder zwischen vier und neun Jahren und ihre Erziehungsberechtigten, Erzieher:innen und Lehrer:innen, aber auch für alle anderen Kinder offen

Kunstsparte

Theater

Projektzeitraum

Juli bis Dezember 2022

Kontakt

Förderung Improvisationstheater Stuttgart e. V.
Buchenstraße 1
70199 Stuttgart
Kerstin Manz-Kelm
Telefon 0174/2101049
kerstin.manz-kelm@impro-stuttgart.de

Gemeinsam Geschichten entwickeln

Auch in anderen Produktionen nutzte das Theater schon Masken, etwa in einigen Szenen eines Theaterstücks zum Thema Demenz. Der Umgang mit jungen Menschen ist den Theatermacher:innen vertraut. So entwickelten sie in den letzten Jahren gemeinsam mit Kindern Geschichten und Mitmach-Märchen, gingen als Theaterpädagog:innen an Schulen und unterstützen im Rahmen des Projekts „Sprichs aus“ mit theaterpädagogischen Methoden die Sprachförderung von Kindern an Schulen und Einrichtungen.

Als das Theater von der „Sonnenstunden“-Ausschreibung erfuhr, beschlossen die Akteur:innen, sich zu bewerben. Gemeinsam mit einem weiteren Ensemble aus Stuttgart, das ebenfalls im Rahmen der „Sonnenstunden“ ein Projekt realisieren konnte, kümmerten sie sich um die Organisation, suchten Räume, akquirierten weitere Mittel und teilten die Kosten für Werbung und Kommunikation. So konnte innerhalb kurzer Zeit die Inszenierung auf die Beine gestellt und das Publikum mobilisiert werden. Um auch geflüchtete Familien wirklich zu erreichen, waren Multiplikator:innen besonders wichtig für die Kommunikation, unterstreicht Kerstin Manz-Kelm: „Was ich super wichtig fand, ist die Vernetzung mit Akteur:innen, die sich um Geflüchtete kümmern: Menschen aus der Stadt, Sozialamt, Kirchen, Freundeskreise, Migrationsdienste.“

Kleines Stück mit großer Wirkung

Premiere feierte das 20-minütige Stück schließlich am Nikolaustag 2022; über drei Tage hinweg gab es vormittags wie nachmittags Aufführungen. Während an den Vormittagen vor allem Kita-Gruppen oder Grundschulklassen kamen, darunter auch „Vorbereitungsklassen“, bestehend aus Kindern, die gar kein Deutsch sprechen, richteten sich die Nachmittagsvorstellungen vor allem an Familien aus Geflüchtetenunterkünften und Kinder aus dem Stadtteil. „Die Resonanz war durchweg positiv“, freut sich Kerstin Manz-Kelm, Schauspielerin, Regisseurin und Autorin beim Improtheater Stuttgart. „Die Kinder lachen, sind ganz gebannt und in die Geschichte involviert.“

Bereit für neues Publikum

Was bleibt vom Projekt? „Es ist ein kleines, schönes Stück entstanden über Fremdsein, Ankommen und Freundschaft finden. Wir möchten, wenn die Finanzierung stimmt, auch gerne vor Ort in Schulen und Kindergärten gehen und Partner für unser pädagogisches Angebot finden“, so Kerstin Manz-Kelm. Denn: Ist einmal die Grundlage gelegt, braucht es nicht viel, um einen Ausflug in eine andere Welt zu machen: „Das macht unsere Produktion auch aus, dass wir drei Kisten mit Sachen haben, dass wir mit sehr einfachen Mitteln bildgewaltig und poetisch werden können.“