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Skulptur sucht Schule

Im Jahr 1981 schuf der Bildhauer Gerhard Marcks mit „Prometheus und der Zeus-Adler“ seine letzte große Skulptur und schrieb seiner Freundin Marguerite Wildenhain: „Und wo soll ich mit meinem Prometheus hin? Er […] passt in keine Kirche, keine Bank, keinen Park“. Ob er ahnte, dass sich sein „Prometheus“ rund 40 Jahre später in der Eingangshalle einer Bremer Oberschule wiederfinden würde, tagtäglich von Schüler:innen umschwärmt, bestaunt und manchmal sogar im wahrsten Sinne des Wortes „begriffen“?

Solche Begegnungen ermöglicht das Projekt „Skulptur sucht Schule“. Dahinter steckt eine einfache, aber effektive Idee: Kindern und Jugendlichen, die selten den Weg ins Museum finden, werden die Ausstellungsstücke entgegengebracht.

Museum macht sich auf den Weg

Denn obwohl für manche der Besuch von Museen eine Selbstverständlichkeit ist, bleiben sie für viele andere fremd – sogar in der eigenen Stadt. Auch die im öffentlichen Raum allgegenwärtigen Skulpturen erreichen selten mehr als flüchtige Begegnungen mit Passant:innen. Auf der anderen Seite werden diejenigen Teile der Sammlungen, die Museen nicht in Ausstellungen zeigen, sondern vor allem in ihren Depots bewahren, schnell zum „Dead Weight“ – zu musealem „Eigengewicht“ ohne unmittelbaren Mehrwert für die Öffentlichkeit.

Um Kunst und Gesellschaft wieder mehr miteinander vertraut zu machen, begibt sich das Gerhard-Marcks-Haus auf den Weg in die Stadt: Es stellt Schulen zeitweilig ein Kunstwerk zur Verfügung und lässt dieses zum Teil des alltäglichen Umfelds von Schüler:innen werden. Im Unterricht und zeitweilig auch im Atelier des Museums setzen sie sich mit den Skulpturen auseinander. Sie erarbeiten eigene Kunstwerke, die dann im Zuge temporärer Ausstellungen wiederum den Weg ins Museum zurückfinden.

Sammlung als gesellschaftliche Ressource

„Die Sammlung eines Museums ist eine gesellschaftliche Ressource“, findet Arie Hartog, Direktor des Gerhard-Marcks-Hauses. Als der niederländische Spezialist für figürliche Bildhauerei 2009 die Museumsleitung übernahm, entwickelte er die Idee zu „Skulptur sucht Schule“ und überzeugte das Museumsteam, das Projekt mitzutragen. Denn auch bei den relativ robusten Bronzen zucken viele Kurator:innen bei dem Gedanken zusammen, diese aus dem Schutzraum Museum herauszugeben. Die Entleihe der Werke ist auch deswegen unkompliziert möglich, weil das Gerhard-Marcks-Haus als private Sammlung eigenständig über ihren Bestand entscheiden kann.

Fakten

Fakten zum Projekt

Projektteam

Gerhard-Marcks-Haus, Schulen in Bremen und Niedersachsen

Fördersummen

Anfallende Projektkosten für Transport und Versicherung in Höhe von ca. 1000 Euro werden, falls die Schule keine Mittel hierfür hat, vom Freundeskreis des Gerhard-Marcks-Hauses e. V. anteilig oder komplett getragen.

Ressourcen

Ein bis zwei Museumsmitarbeiter:innen für die Projektorganisation und -durchführung; die Räumlichkeiten des Museumsateliers für die Arbeit mit den Schüler:innen; der Ausstellungsraum zur Präsentation der Arbeiten der Schüler:innen

Zielgruppen

Schüler:innen

Kunstsparte

Bildende Kunst

Projektzeitraum

Seit 2009

Kontaktmöglichkeit

Bettina Berg

Telefon:+49 (0) 421 98 97 52-24

E-Mail: berg@marcks.de

Individuelle Zugänge statt fester Formate

Mittlerweile geht „Skulptur sucht Schule“ ins 14. Jahr. Immer noch rufen ungläubige Schulleiter:innen bei Hartog an und fragen, ob es möglich sei, eine Bronze auszuleihen. Im Jahr 2022 nahmen zwei Bremer Schulen an „Skulptur sucht Schule“ teil: Die Wilhelm-Olbers-Schule lieh sich die erwähnte Skulptur „Prometheus und der Zeus-Adler“ aus, die Gesamtschule Ost Bremen die Figuren „Sitzender Alter“ und „Große Badende“ von Waldemar Grzimek. Wie die Auseinandersetzung mit den Kunstwerken in den Schulen konkret aussieht, liegt vor allem an den Vorstellungen der Schule selbst.

„Kulturelle Bildung leidet daran, dass zu sehr in Formaten gedacht wird und zu wenig auf individuelle Situationen“, so Kunsthistoriker Hartog. Er setzt darauf, dass Schüler:innen aus eigener Neugier und Motivation zu Wissen und Deutungen über die Werke gelangen. Wichtiger als Kenntnisse aus dem Kunstunterricht oder kunsthistorische Kontexte ist ihm, dass die Schüler:innen eigene Zugänge etwa zu dem beeindruckend oder auch bedrohlich empfundenen Zeus-Adler finden.

Museum als Ort des Vertrauens

Indes wächst auch das Gerhard-Marcks-Haus an den Erfahrungen mit den Schüler:innen und begreift sich als lernende Organisation. Hartogs Ziel, das Museum als Ort des Vertrauens zu entwickeln, hat sich bereits eingelöst: Schüler:innen kommen selbstständig ins Museum und fragen nach dem Standort eines bestimmten Objekts im Gerhard-Marcks-Haus oder im öffentlichen Raum der Stadt, um es einmal aus der Nähe zu betrachten.