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Literatur als Ereignis

Das Buddenbrookhaus in der Lübecker Mengstraße hat bewegte Zeiten hinter sich: Nach seiner ersten urkundlichen Erwähnung im Jahr 1289 wechselten seine Eigentümer ein gutes Dutzend Male, bis ein erfolgreicher Händler und Seefahrer es Anfang des 18. Jahrhunderts für seinen Betrieb ausbaute. Später wurde das Anwesen mit weißer Barockfassade von den Kaufleuten Mann erworben, für deren Enkel Thomas es schließlich zum zweiten Wohnzimmer und als Buddenbrookhaus zum namensgebenden Dreh- und Angelpunkt eines Stücks Weltliteratur wurde.

Mittlerweile ist das geschichtsträchtige Anwesen ein literaturwissenschaftliches Zentrum und als Museum ein „begehbarer Roman“ für Besucher:innen. Der alten Kaufleute-Tradition folgend wird weiter expandiert: Bis 2027 soll das Museum um das Nachbargebäude erweitert werden.

Schüler:innen entwerfen Laborausstellungen: Das Museum als Testfeld

Mit dem Ausbau will das Team um Direktorin Dr. Birte Lipinski das Museum auch inhaltlich öffnen. Angetrieben von dem Ziel, seinen Besucher:innen nicht nur mehr Literatur, mehr Familie Mann, mehr Buddenbrooks, sondern auch mehr Interaktion, mehr Bildung, mehr Raum zum Entdecken zu bieten, sollen innovative Ausstellungs- und Vermittlungsangebote für eine junge Zielgruppe geschaffen werden. So entstand das Projekt „Literatur als Ereignis“ mit Schüler:innen als Co-Kurator:innen.

Pro Schuljahr begleiteten um die zwölf Teilnehmer:innen ab der 10. Klasse der Lübecker Grund- und Gemeinschaftsschule St. Jürgen von 2015 bis 2019 die Umbauplanungen des Buddenbrookhauses und entwickelten Ausstellungsmodule. Unterstützt wurden sie dabei von den kuratorischen Mitarbeiter:innen des Museums und Ausstellungsdesigner:innen. In sogenannten Laborausstellungen mit jährlich wechselndem Thema – zum Beispiel Flucht und Exil, Familie, Herkunft und Heimat oder der Roman „Buddenbrooks“ selbst – wurden Inhalte und Vermittlungsansätze für die zukünftige Dauerausstellung erprobt.

Ermöglicht wurde das Projekt durch eine sechsstellige Fördersumme der Commerzbank-Stiftung, mit der eine Koordinationsstelle sowie Sachmittel, etwa für Workshops, finanziert wurden.

Versuchsanordnung: Jugendliche mischen Museum auf

Für die Neukonzeption wollte das Museumsteam von Beginn an junge Menschen als eine der wichtigen Zielgruppen mit ins Boot holen. Und das ganz konkret und verantwortlich: Ihnen wurden Aufgaben von Kurator:innen übertragen – eigentlich ein voraussetzungsreicher Beruf, für den neben einem Kunstgeschichte-Studium oft eine Promotion und fast immer ein Volontariat verlangt wird. Für das Team des Buddenbrookhaus war jedoch gerade das Fachfremde, der unverstellte Blick der Schüler:innen reizvoll – verbunden mit der Hoffnung, dass diese das Museum erst einmal auf den Kopf stellen würden.

Zunächst jedoch mussten sich die Teilnehmer:innen, die sich mit ganz unterschiedlichen Erwartungen für das Projekt entschieden hatten, erst einmal im Museum zurechtfinden und mit seinen Abläufen vertraut werden, bevor sie den erhofften frischen Wind mit dem ins Haus bringen konnten, „was ihnen wirklich Spaß macht“, so Lipinski. Dabei lernten die Schüler:innen nicht nur die Hintergründe des Kuratierens und der Vermittlung kennen, sondern auch, Projekte zu planen, mit Kooperationspartner:innen ins Gespräch zu kommen und gemeinsam Ideen Wirklichkeit werden zu lassen.

Gamification und Persönlichkeitstest: Welche/r Mann passt zu dir?

Ein großer Teil der von den Schüler:innen in vier Jahren Projektarbeit realisierten Module wird für die zukünftige Dauerausstellung des Buddenbrookhauses übernommen. Entsprechend fließen deren Interessen und Lebenswelten mit ein. So zeigte sich bei vielen Schüler:innen laut Lipinski eine starke Präferenz für Spiele – entsprechend zeigen einige der entwickelten Ausstellungsmodule Gamification-Züge.

Dass ihre Ideen Jahre später öffentlichkeitswirksam umgesetzt werden, war wichtig für die Motivation der Teilnehmer:innen, die, so Lipinski, hinsichtlich kultureller Ausdrucksformen mutiger wurden und sich als selbstwirksam erleben konnten.

Der Mut zum Projekt hat sich auch für das Haus ausgezahlt: In der Zusammenarbeit mit den Schüler:innen wurde dem Team bewusst, wie zugänglich Ausstellungen sind und welches Hintergrundwissen vorausgesetzt wird. Mittlerweile ist es selbstverständlich geworden, die Perspektive junger Menschen bei Ausstellungskonzeptionen zu berücksichtigen. Und diese Perspektive wirkt: Besucher:innenbefragungen zeigten, dass die Ideen der Jugendlichen generationenübergreifend überzeugten. Mit Ausnahme des – ebenfalls für die Dauerausstellung übernommenen – Persönlichkeitstests „Welche/r Mann passt zu dir?“, der dann doch polarisierte – ganz so wie die leitmotivische Charakterzeichnung der Buddenbrooks.

Fakten

Fakten zum Projekt

Projektteam

Buddenbrookhaus Lübeck

Förder:innen

Commerzbank-Stiftung

Ressourcen

Projektkoordinationsstelle
Sachmittel für die Durchführung von Workshops und Exkursionen
Zusätzlicher Einsatz von Räumlichkeiten und Mitarbeiter:innen des Buddenbrookhauses

Zielgruppen

Oberstufenschüler:innen

Kunstsparte

Literatur

Projektzeitraum

2015–2019

Kontaktmöglichkeit

Buddenbrookhaus – Heinrich-und-Thomas-Mann-Zentrum
Dr. Birte Lipinski
Mengstraße 4
23552 Lübeck
Tel.: (0451) 122-4190