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Wie können wir neue Netzwerke bilden?

„Es ist viel von dem ‚Museum der Zukunft‘ die Rede – ich hoffe, dass wir für das Hier und Jetzt etwas tun können.“

April 2024

Als Dortmunder Stadtmuseum für die Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts beteiligt das Museum Ostwall im Dortmunder U (MO) die Stadtgesellschaft am musealen Arbeiten. Das Ziel ist es, ein Programm und eine Kunstsammlung zu schaffen, in der sich alle in Dortmund lebenden Menschen wiederfinden können. Dazu hat das Museum im März 2023 einen ehrenamtlich tätigen Beirat aus Mitgliedern der Stadtgesellschaft mit verschiedenen Perspektiven und ganz unterschiedlichen Backgrounds gegründet. Es ist das Interesse an der Kunst, was sie vereint. Gemeinsam mit dem Team des Museums berät der sog. MO-Beirat über Themen wie die Zusammensetzung der Sammlung und unterschiedliche Präsentationsformen. Fünf Jahre der Zusammenarbeit sind vorerst geplant. Die Gründung des Museumsbeirats wurde unterstützt im Rahmen des Projekts „Neues Sammeln“ der Kulturstiftung der Länder.

Als Mitglieder des Beirats wirkten beim Interview am 29. April 2024 die Konditorin Nesrin Altuntas, der Rentner und ehemalige Chefarzt Horst Luckhaupt, Alexis Rodríguez Suárez, freier Berater, Kurator und Community-Organisator, sowie der Malermeister Damian Sombetzki mit. Seitens des Museums Ostwall beteiligten sich die Sammlungsleiterin Dr. Nicole Grothe und Michael Griff als Kurator mit Schwerpunkt Community Engagement an dem Gespräch.

 

Makura: Die erste Sitzung des Beirats fand am 28. März 2023 statt und Sie waren dabei – wie war das?

Nesrin Altuntas: Ich kannte das Museum und das Dortmunder U schon als Kind. Wir sind mit der Grundschule und auch später mit dem Gymnasium immer wieder mal ins Museum gegangen. Als ich zur ersten Sitzung gegangen bin, hat es sich sehr besonders angefühlt: hinter die Kulissen zu schauen und zu erfahren, wie die Arbeit im Beirat ablaufen würde, war für mich aufregend. Als junge Person wurde ich Teil von einem großen Projekt. Mir ist vor allem die zeitgenössische Kunst wichtig.

Welche Erwartungen haben Sie mit dem Engagement im Beirat verbunden?

Horst Luckhaupt: Meine Familie und ich besuchen seit Jahrzehnten Museen. Seit meinem Umzug von Köln nach Dortmund habe ich fast alle Ausstellungen des Museums Ostwall gesehen. Die Arbeit im Beirat ist mir deshalb wichtig, weil es immer wieder Ausstellungen gibt, die nicht gut besucht werden, obwohl die Kurator:innen ganze Arbeit geleistet haben. Wie wird das Museum wahrgenommen und was kann man besser machen? Mit dem Beirat wollen wir helfen, diese Fragen ein Stück weit zu beantworten. Dazu treffen wir uns alle zwei Wochen.  

„Nach dem ersten Jahr im Beirat verstehe ich nun viel besser, wie das Museum funktioniert und kann zugleich mit frischem Blick Anderes denken.“

Wie kann der Beirat dazu beitragen, neue Impulse für das Museum und die Sammlung zu erhalten?

Alexis Rodriguez: Das ist die Kernfrage unserer Arbeit im Beirat und wie gern hätte ich schon heute eine gute Antwort darauf! Grundsätzlich kommt es darauf an, dass wir aus den verschiedenen Perspektiven unsere Erfahrungen und Interessen einbringen, uns ein Meinungsbild machen und daraus neue Wege entwickeln. Nach dem ersten Jahr im Beirat verstehe ich nun viel besser, wie das Museum funktioniert und kann zugleich mit frischem Blick Anderes denken. Wir stecken uns konkrete Ziele und wollen zunächst über Formate nachdenken, um jüngere Menschen ins Museum zu bringen.

Der Beirat hat im Museum einen eigenen Raum – wo liegt der und wie nutzen Sie ihn?

Damian Sombetzki: Es ist eine vergleichsweise große Räumlichkeit am Ende der Ausstellung. Als Besucher:in kommt man daran kaum vorbei. Den Raum nutzen wir für unsere Treffen und er ist die Schnittstelle zu den Besucher:innen. Hier kann man sich über unsere Arbeit informieren, Flyer zum Beirat liegen aus und es gibt einen Fragebogen zur Ausstellung, den wir erarbeitet haben. Mit Post-its kann man direkt Feedback geben; sie werden von uns regelmäßig sortiert und zusammengefasst. Kritik und Feedback wird gebündelt. Bei wichtigen Veranstaltungen wie der Museumsnacht im September 2023 sind wir da und stehen für Gespräche zur Verfügung. Es ist viel von dem „Museum der Zukunft“ die Rede – ich hoffe, dass wir für das Hier und Jetzt etwas tun können. Hier habe ich das Gefühl, dass das, was wir machen, ernst genommen wird und dass es etwas bringt. Das ist meine größte Motivation etwas beizutragen.

Was motiviert Sie, das Museum mitzugestalten?

Horst Luckhaupt: Wenn ich den gesellschaftlichen Wandel betrachte, möchte ich den Leuten sagen: schaut Euch die Bilder an, kommt zur Ruhe, haltet inne. Museen müssen in der Gesellschaft eine Rolle spielen. Ich bin mir sicher, dass wir in den nächsten Jahren Vieles bewirken können.

Was hat sich durch die Initiativen des Beirats verändert?

Nesrin Altuntas: Manches ist schnell umsetzbar, anderes eher langfristig gedacht: Als wir erwähnt hatten, dass es viel zu wenige Sitzmöglichkeiten für Besucher:innen gibt, wurde dies vom Museum schnell gelöst. Wir haben mehr Bänke bekommen und an der Information standen Klappstühle bereit. Zudem war in den Ausstellungsräumen oft nicht klar, auf welchen Stühlen man sitzen darf und welche Teil des Kunstwerks sind. Daher haben wir Schilder gemacht, um zu kennzeichnen, wo man sitzen darf – eine einfache Sache, die die Ausstellung gleich viel einladender gemacht hat. Bei der nächsten Ausstellungsplanung soll auf unsere Initiative hin berücksichtigt werden, dass die Beschilderung der Werke verbessert wird. Zudem haben einige Beiratsmitglieder damit begonnen, eigene Führungen durch das Museum anzubieten – von Dortmunder:innen für Dortmunder:innen!

„Wenn wir etwas Zeitgenössisches kaufen, kann es eine Momentaufnahme unserer gesellschaftlichen Lage sein“

Eine Aufgabe des Beirats ist es, auf der Basis gemeinsam erarbeiteter Kriterien einen Kunstankauf zu tätigen. Budget: 30.000,- Euro. Werden Sie sich einigen können?

Horst Luckhaupt: Ja, das ist für uns eine große und schwierige Aufgabe. Wir haben ein Budget und man lässt uns große, sogar bewundernswerte Freiheit. Wir alle lieben die Kunst. Aber wir sind sieben Beiratsmitglieder und da kommt es durchaus vor, dass wir in sehr verschiedene Richtungen denken. Die Mitarbeiter:innen des Museums helfen uns, indem sie uns wichtige Kunstströmungen des 20. und 21. Jahrhundert vorstellen und laden zum Besuch von Kunstmessen, Galerien und Museen ein.

Alexis Rodriguez: Bei dem Kunstankauf geht es nicht nur um den eigenen Geschmack, sondern auch um ein bestimmtes Interesse an inhaltlichen Schwerpunkten. Die Auseinandersetzung mit dem Ankauf und die Moderation durch das Museumsteam hat uns ermöglicht, differenziert über Werke zu sprechen, die für das Museum langfristig Bedeutung haben können. Wenn wir etwas Zeitgenössisches kaufen, kann es eine Momentaufnahme unserer gesellschaftlichen Lage sein. Daher wird es nicht einfach, sich zu einigen. Bisher gab es im Beirat aber immer die Möglichkeit, zu diskutieren und andere Meinungen zu haben, und dies geschah immer in einer sehr produktiven Art und Weise.

„Wir arbeiten daran, verschiedenste Geschichten mitzudenken, um eine gemeinsame Zukunft zu projizieren.“

Dem Beirat werden große Gestaltungsspielräume eingeräumt. Hat dies von Ihnen als Sammlungsleiterin und vom Museum Mut erfordert?

Dr. Nicole Grothe: Die ursprüngliche Idee des Beirats war tatsächlich, eine Gruppe zu finden, die mit mir ein Kunstwerk kauft. Viele der Beiratsmitglieder haben gesagt: Ich interessiere mich eigentlich für Kunst, aber ich gehe nie ins Museum. Was können Perspektiven auf unseren Sammlungsbestand sein, die bislang noch nicht präsent sind? Wie nähern wir uns dem an? Daraus ist der Beirat entstanden, der nun noch viel mehr einbringt und so gut darin ist, mir meine Scheuklappen zu nehmen. Nach dem Ankauf im Winter dieses Jahres wird der nächste Schritt sein, dass der Beirat an der Konzeption für die nächste Sammlungspräsentation 2026 mitarbeitet. Ob das mutig ist? Wenn man es ernst nimmt, so ein Haus in der Stadtgesellschaft zu verankern, ein Stück zurücktritt und Menschen befragt, die vorher keine enge Verbindung zum Museum hatten, dann ist es vor allem bereichernd. Wir lernen in dem Prozess sehr viel; und zwar darüber, wie wir Kunst anschauen, darüber, wie wir mit der Gesellschaft in Auseinandersetzung treten, darüber, was andere Perspektiven auf unseren Sammlungsbestand sind. Es ist motivierend, meine eigene Arbeit mit dem Beirat zu reflektieren. Der Aufwand ist es wert. Und zum Glück ist die Museumsleitung von Anfang an überzeugt gewesen. Klar, die Entscheidungsbefugnis über so viel Geld fordert uns alle, aber auf der anderen Seite: Was haben wir zu verlieren? Und wer ist mutiger: das Museum oder der Beirat?

Was zeichnet ihre Arbeit mit dem Beirat besonders aus?

Michael Griff: „Wir gehen vorsichtig miteinander um“, sagte mal eine Kollegin aus dem Beirat. Obwohl sich vorher niemand kannte, ist die Gruppe gut zusammengewachsen. Von Anfang an war uns als Museumsteam wichtig, dass sich eine Eigendynamik entwickeln kann, die auf Freiräumen basiert. Wir wollen vermitteln, dass Vieles umsetzbar ist. Das Museum gehört nun mal den Dortmunder:innen. Wir sind da, wenn der Beirat Unterstützung und Informationen braucht, um sich eine Meinung zu bilden, aber wir versuchen auch, nicht zu viel zu lenken. 

Wie werden Sie den Freiraum, das Museum mitzugestalten, künftig nutzen? Welche Pläne gibt es im Beirat?

Alexis Rodriguez: Wir überlegen, in Zukunft noch andere Formen von Räumen zu schaffen, um jungen Künstler:innen aus Dortmund und Umgebung Möglichkeiten zu geben, im Museum zu arbeiten oder gemeinsame Projekte umzusetzen wie beispielsweise im Rahmen eines Residenzprogramms für Künstler:innen oder Workshops. Es ist eine Idee – wir werden sehen, was daraus wird. Gern würde ich mit dem Museum eine Zukunft denken, von der ich Teil bin. Migrantische Perspektiven sind in der Sammlung und den Ausstellungen einfach noch unterrepräsentiert. Wir arbeiten daran, verschiedenste Geschichten mitzudenken, um eine gemeinsame Zukunft zu projizieren.

Vielen Dank für das Gespräch!